Nachlass Karl Dedecius
Karl Dedecius (1921-2016) – „Wer Kunst überträgt, […] wirkt gegen den Tod und für das Leben.“
(Karl Dedecius „Vom Übersetzen“, Frankfurt am Main 1986, S.)
Inhaltverzeichnis des Findbuchs: Nachlass Karl Dedecius - 1. Teil
Inhaltverzeichnis des Findbuchs: Nachlass Karl Dedecius - 2. Teil
Karl Dedecius wurde in einer deutschen Familie im multikulturellen Łódź geboren. Dort besuchte er das polnische humanistische Gymnasium (Abitur 1939). Am Anfang des Zweiten Weltkrieges von der Wehrmacht eingezogen, geriet er unter Stalingrad in die sowjetische Kriegsgefangenschaft. Dort lernte er Russisch und begann, russische Literatur ins Deutsche zu übertragen. Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft arbeitete er u.a. als Übersetzer im Deutschen Theater-Institut in Weimar. 1952 siedelte er mit der Familie in die BRD über und ließ sich in Frankfurt am Main nieder, wo er als leitender Angestellte der Allianz-Versicherung tätig war. In der Freizeit engagierte er sich als Übersetzer und Herausgeber für die Popularisierung der polnischen Literatur im deutschsprachigen Raum.
1959 veröffentlichte er zwei Anthologien der polnischen Lyrik „Lektion der Stille“ und „Leuchtende Gräber“, deren eine Fülle weiterer Publikationen folgte. Die Bibliographie von Karl Dedecius umfasst über 120 Titel, darunter prominente Reihen wie „Polnische Bibliothek“ (Suhrkamp, 50 Bände), oder „Panorama der Polnischen Literatur des 20. Jahrhunderts“ (Ammann, 7 Bände). Er hat der deutschen Sprache die Dichtung von Przyboś, Miłosz, Herbert, Szymborska, Lec und vielen anderen angeeignet.
Dedecius pflegte intensive Kontakte mit Polonisten und anderen Übersetzern aus Ost und West, deren Arbeit er aufmerksam verfolgte und nach Möglichkeiten förderte. Den eisernen Vorhang überwand er durch literarische Kontakte lange bevor die politischen Grenzen geöffnet wurden (Botschafter der Weltversöhnung). Übersetzung war für ihn Leidenschaft und Kalamität zugleich: „Suche nach dem gemeinsamen Nenner für das Doppelte, das Vielfache und doch immer für das Eine.“ (Laudatio von Karl Dedecius an Roswitha Matwin-Buschmann, in: „Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Jahrbuch“, Wallstein Verlag, Göttingen 1993, S. 67).
1980 wurde Karl Dedecius zum Direktor des von ihm konzipierten Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt. Das Institut wurde ins Leben berufen, um kulturelle Kommunikation im bilateralen Umgang zu erleichtern und so zur Verbesserung der deutsch-polnischen Beziehungen beizutragen.
Karl Dedecius wurde mehrmals ausgezeichnet, u.a. mit dem Internationalen Übersetzerpreis des polnischen PEN-Clubs (1965), mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1990) und mit dem Deutschen Nationalpreis (2010). Er war Ehrendoktor der Universitäten Köln, Thorn, Krakau, Lublin, Breslau und der Europa-Universität Viadrina.
Der erste Teil des literarischen Archivs von Karl Dedecius wurde 2001 von ihm persönlich an die Europa-Universität Viadrina übergegeben, ihm folgten mehrere weitere Lieferungen, die letzte - 2016 nach seinem Tod. Insgesamt umfasst der Nachlass von Karl Dedecius ca. 300 laufende Meter Dokumente, darunter Korrespondenz mit polnischen und deutschen Schriftstellern (Böll, Canetti, Celan, Enzensberger, Grass Herbert, Iwaszkiewicz, Miłosz, Mrożek, Przyboś u.a.), mit bekannten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens (Dönhoff, Süssmuth, Schmidt, Weizsäcker, Bartoszewski), mit Verlagen, Universitäten und zahlreichen Kulturinstitutionen. Hinzu kommen Manuskripte der übersetzten Werke in verschiedenen Fassungen, Vorträge, Reden, Lebensdokumente, Kataloge, Plakate, Fotografien, Bücher mit Widmungen, Medaillen, Urkunden der Auszeichnungen und universitären Ehrungen, bibliophile Drucke, Grafiken und Fotografien.
Der Nachlass von Karl Dedecius befindet sich im Besitz der 2013 gegründeten Karl Dedecius Stiftung. Sie führt die interkulturelle Arbeit im Geiste ihres Stifters fort und verwaltet die Rechte zu seinen Werken.
Wenn Sie Unterlagen aus dem Nachlass von Karl Dedecius einsehen möchten, wenden Sie sich bitte an das Karl Dedecius Archiv. Alle Anfragen bezüglich der Publikationsgenehmigungen richten Sie bitte an die Karl Dedecius Stiftung.
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